Irrtümer und juristische Holzwege

Einige Rechtsirrtümer halten sich hartnäckig. Wir zeigen an dieser Stelle eine Auswahl und die jeweilige Richtigstellung.

Nahezu jeder Lebensbereich eines Bundesbürgers wird durch Gesetze geregelt und bestimmt. Zusätzlich werden bestehende Gesetze häufig geändert und erneuert: erst zu Beginn des Jahres hat sich das Unterhaltsrecht erheblich verändert und auch eine Neustrukturierung des Erbrechts ist in Kürze zu erwarten.

Trotz der Fülle an Gesetzen und ständigen Veränderungen ist der Bundesbürger insbesondere durch die Medien gut informiert. Sein allgemeines Rechtsempfinden deckt sich zumeist mit der tatsächlichen Rechtslage. Einige kleinere Rechtsirrtümer halten sich dennoch hartnäckig. Als Anwaltskanzlei möchten wir hier zu einigen Rechtsthemen Klarheit schaffen.

1. „Wenn ich eine Sache kaufe, so kann ich sie innerhalb von zwei Wochen wieder umtauschen“.
Das gültige Kaufrecht im Bürgerlichen Gesetzbuch sieht kein ausdrückliches Umtauschrecht vor. Zwar stehen dem Verbraucher beim Kauf diverse Rechte zu, falls die gekaufte Sache Mängel aufweist, diese Rechte greifen jedoch nicht, wenn aus anderen Gründen umgetauscht werden soll: ist also das gekaufte Hemd zwar mängelfrei, der Umtausch soll aber erfolgen, weil das Hemd zu Hause doch zu klein erscheint, die Farbe nicht mehr gefällt oder der Ehepartner die Augenbrauen hochzieht, so besteht kein gesetzliches Anrecht auf einen Tausch.

Dass die meisten Einzelhandelsgeschäfte dennoch problemlos umtauschen, liegt daran, dass diese Geschäfte diese Möglichkeit dem Käufer aus Kulanz einräumen, eine gesetzliche Verpflichtung besteht nicht! Der Verbraucher sollte sich daher vor dem Kauf bei der Verkäuferin darüber informieren, ob ein Recht auf Umtausch gewährt wird und unter welchen Bedingungen (etwa Umtausch innerhalb von zwei Wochen, etc.). Weist der Verkäufer im Laden darauf hin, dass ein Umtauschrecht nicht besteht (etwa bei im Preis heruntergesetzter Ware), so ist dies zulässig. Denn da ein gesetzliches Recht auf Umtausch nicht besteht, kann der Verkäufer selbst entscheiden, wann und bei welchen Waren er den Umtausch zulässt. Achtung aber hier: auch wenn ein Umtausch ausgeschlossen wurde, so bleiben die gesetzlichen Rechte bestehen, wenn die waren einen Mangel aufweist. Stellt der Käufer also zu Hause fest, dass der im preis reduzierte Pullover, bei dem der Umtausch extra ausgeschlossen worden ist, eine Webfehler aufweist oder die Farbe nach dem Waschen verändert ist, so können denn och die Rechte auf Gewährleistung wie Nacherfüllung, etc. geltend gemacht werden.

2. „Bei jedem Vertrag kann man innerhalb einer kurzen Frist zurücktreten.“
Häufig ist die Rechtsauffassung anzutreffen, dass jeder beliebige Vertrag innerhalb einer kurzen Frist (meist 8 Tage oder zwei Wochen) durch Rücktritt oder Widerruf aufgelöst werden kann. Dies ist jedoch keinesfalls bei jedem Vertrag der Fall. Ein gesetzliches Rücktritts-/Widerrufsrecht ist nur bei ganz bestimmten Verträgen und unter bestimmten Voraussetzungen möglich. Darüber hinaus muss ein Rücktrittsrecht vertraglich vereinbart werden. Gesetzlich vorgesehen ist ein Rücktritts-/Widerrufsrecht etwa bei so genannten Haustürgeschäften, d. h. wenn ein Verbraucher im Bereich seiner Privatwohnung durch mündliche Verhandlungen mit einem Unternehmer zu einem Vertragsabschluss bestimmt worden ist. Auch bei Fernabsatzverträgen, bei denen ein Verbraucher einen Vertrag über die Lieferung von Waren unter ausschließlicher Verwendung von Ferntelekommunikationsmitteln (per Telefon, E-Mails, SMS, etc.) abschließt, besteht ein Widerrufsrecht. Verbraucher in diesem Sinne ist jede natürliche Person, die ein Rechtsgeschäft zu einem Zwecke abschließt, der weder ihrer gewerblichen, noch ihrer selbstständigen beruflichen Tätigkeit zugerechnet werden kann.
Kaufen Sie daher als Verbraucher einen Staubsauger direkt beim Vertreter an der Haustür oder lassen Sie sich nach telefonischer Anweisung einen solchen schicken, so steht Ihnen ein Rücktrittsrecht innerhalb von zwei Wochen zu. Tätigen sie wiederrum diesen Kauf etwa als Versicherungsvertreter für ihr eigenes Büro, so sind sie kein „Verbraucher“ im Sinne des Gesetzes und daher nicht berechtigt, vom Vertrag zurückzutreten. Liegen diese besonderen Voraussetzungen daher nicht vor und wird z. B. das Familienauto beim Händler um die Ecke gekauft oder ein Heizungsservicevertrag bei der Fachfirma vor Ort abgeschlossen, so besteht kein Rücktrittsrecht, sofern dies nicht ausdrücklich zwischen den Parteien vereinbart worden ist. Für diesen Fall und alle anderen gilt: „pacta sunt servanda“, d. h. Verträge sind einzuhalten!

3. „Eltern haften für ihre Kinder“

Vor Baustellen oder unbebauten Grundstücken ist nicht selten ein Schild mit dieer Aufschrift zu lesen. Tatsächlich haften Eltern nicht „für“ die Kinder, sondern nur für eigenes Verschulden bei der Beaufsichtigung der Kinder.

Die Pflicht, die die Eltern hier zur Beaufsichtigung ihrer Kinder trifft, ist vom Ausmaß und Umfang her abhängig vom Alter des Kindes, seiner Reife, dem Charakter und den jeweiligen Umständen.

Verletzen die Eltern ihre eigene Aufsichtspflicht nicht und verursachen die Kinder einen Schaden, so kann der Geschädigte von den Eltern keinen Ersatz verlangen. Das Kind selbst haftet nicht vor Vollendung des siebten Lebensjahres. Nach Vollendung des siebten Lebensjahres ist eine Haftung des Kindes selbst von den Umständen des Falles und der Reife des Kindes abhängig: das Kind muss „die zur Erkenntnis der Verantwortlichkeit erforderliche Einsicht“ haben, §828 Abs. 3 BGB. Im Straßenverkehr ist die Haftung für Kinder zwischen dem siebten und dem zehnten Lebensjahr zusätzlich eingeschränkt. Ritzt daher ein sechsjähriges Kind auf dem Hof der Eltern seinen Namen in die Fahrertür des dort geparkten Nachbarautos und war das Kind bisher noch nie auffällig, so kommt weder eine Haftung der Eltern, noch des Kindes in Betracht. Die elterliche Aufsichtspflicht ist nicht verletzt, wenn ein Kind dieses Alters, das bisher noch nie einen Schaden derart verursacht hat, für ca. eine Stunde oder länger ohne direkten Blickkontakt mit den Eltern spielt. Tatsächlich wird der Nachbar in diesem Fall den Schaden selber tragen müssen. Auch eine Haftpflichtversicherung kommt für den Schaden nicht auf, da diese nur eintritt, wenn eine Haftung der Eltern oder des Kindes gegeben ist.

Verursacht ein siebenjähriges Kind den gleichen Schaden, so kommt erneut eine Haftung der Eltern nicht in Betracht, eine Haftung des Kindes richtet sich nach dessen Reife und Einsichtsfähigkeit. Etwas anderes muss gelten, wenn etwa ein vierjähriges Kind mit seinem Dreirad oder Roller zwischen geparkten Autos spielt; hier ist mit Stürzen und Schäden an den Autos zu rechnen. Zudem darf ein so junges Kind nicht ohne regelmäßigen Blickkontakt durch die Aufsichtsperson in die Nähe des Verkehrs gelassen werden. Hier kommt daher eine Haftung der Eltern wegen der Aufsichtspflichtverletzung in Betracht.